Zeitzeugenberichte vom 22. April 1945

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Der 22.April 1945

Wehrmachtsbericht des OKW (Auszug)

In Cottbus und Fürstenwalde sind Straßenkämpfe im Gange. Östlich und nördlich Berlin schob sich der Feind in schweren Kämpfen bis an die äußere Verteidigungszone der Reichshauptstadt heran. Zeitzeugenberichte

Vergebliche Versuche , eine kampflose Übergabe der zur Festung erklärten Stadt zu erreichen.


Bericht Willi Zernicke

Ein Versuch , am selben Tag noch die Stadt kampflos zu übergeben, scheiterte. Der bürgerliche Stadtrat Schweiger (Die Nazis hatten ihn, obwohl kein PG , im Amt gelassen, da sie wenigstens einen Fachmann brauchten) , mein Vater und ich waren bis hinter Buchholz gegangen , um mit der Sowjetarmee Verbindung aufzunehmen. Aber nirgends trafen wir auch nur die Spur von einem Sowjetsoldaten. Darauf verschoben wir den Versuch der Übergabe auf den nächsten Tag, aber es sollte anders kommen. In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend besetzten die Nazis erneut die Stadt.

Bericht Franz Becker

In dem Buch :“Die große Wende in einer kleinen Stadt“1965 ;Herausgeber BL der SED Frankfurt(O) S.20 , teilt der Autor mit:

Rings um die Stadt und besonders in den Einfallstraßen hatten die deutschen Soldaten und Volkssturmmänner zahlreiche Panzersperren errichtet. Eine dieser Panzersperren befand sich in der nach Hangelsberg führenden, damals nach R.v.Massow benannten Straße, in der Nähe der Weberhäuser . Dort erschienen 3 russische Parlamentäre und wollten über die kampflose Übergabe der Stadt verhandeln.

„Die Truppen der Roten Armee hatten den Widerstand auf den Seelower Höhen gebrochen.

Der Krieg war endgültig entschieden. …Folglich mussten Menschen und Städte in diesen letzten Kriegsphase möglichst geschont werden“. Aus solchen Rücksichten schickte das Kommando der Roten Armee , als seine Einheiten vor Fürstenwalde standen , 3 Parlamentäre mit der international anerkannten weißen Fahne zu dem faschistischen Kommandanten. Sie gelangten zunächst unbehelligt bis in die Stadt. Doch dann setzte plötzlich ohne Anruf ein Feuerüberfall ein. Alle 3 Parlamentäre sanken blutüberströmt lautlos zu Boden.“

Bericht Richard Schulz

In“Quellen:Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Fürstenwalde 1945/46“ schreibt der Autor R.Schulz 1964: Vor der Panzersperre in der Rüdiger-von-Massow Straße (jetzt Dr.Külz Str.) in der Höhe zum heutigen Gaststätte Spreegarten erschienen drei Parlamentäre mit weißer Flagge und Hornisten, die den Wunsch äußerten, den Festungskommandanten zwecks Übergabeverhandlungen sprechen zu wollen.Als die Parlamentäre, man hatte sie herankommen lassen und mit ihnen gesprochen , das gesagt hatten, wurden auf sie das Feuer eröffnet und die drei niedergeschossen. 4.Bericht Ewald These:

Am Freitag Abend (20.4.45) kam der Dolmetscher erneut zu mir und überbrachte folgenden Auftrag: Ich solle den Einwohnern(des „Heidelandes“) mitteilen, - nach dem das Ultimatum, die Stadt kampflos zu übergeben nicht angenommen und die Parlamentäre an der Straßensperre in Fürstenwalde erschossen wurden - sind alle Vorbereitungen getroffen, die Stadt im Angriff zu nehmen. Es sei ratsam. Für die Bürger, die hier wohnen ,sich in eine weniger gefährdete Zone zu begeben. Da , wo geschossen wird, werden auch befreundete Menschen getroffen. Dieses habe ich, soweit ich Bürger unseres Wohnbezirks erreichen konnte , denen mitgeteilt. Ich selber habe das Nötigste zusammen gepackt und habe am 21.früh Fürstenwalde in Richtung Rauen-Kolpin verlassen. (E.These ist wahrscheinlich über die Schleuse Große Tränke auf das andere Spreeufer gekommen und hat dabei , wie auch immer, die Frontlinie überquert. Anmerkung des Verf.) Die Erschießung der russischen Parlamentäre wird noch von mehreren anderen Zeugen berichtet.

Bericht der Arbeitsgebietsleitung der KPD vom 24.9.1945

Verfasser wahrscheinlich der Altkommunist Fritz Perlitz. „Quellen“, S.44 ,Anlage 181 (Ob der Altkommunist Arthur Lebe, wie behauptet ,den „bürgerlichen „Stadtrat Schweiger „beauftragt“ hat, wird selbst von dem Autor der“Quellen“bezweifelt. D.Verf.)

22.4.1945 Es wurde versucht, „die Stadt zu übergeben“,durch den Genossen Arthur Lebe, der den ehemaligen Stadtrat Schweiger beauftragte ,den faschistischen Stadtkommandanten Major Jordan zu veranlassen ,die weiße Fahne zu hissen. Nachdem Schweiger mit sofortiger Erschießung bedroht wurde, gab er seine Bemühungen auf.

Der Angriff auf das Stadtzentrum

Bericht Willi Zernicke

Am sehr späten Abend ( des 21.4) bzw. erst in der Nacht zum 22.April ,also in der Nacht zum Sonntag , begannen die sowjetischen Truppen einen konzentrischen Angriff aus den Hauptrichtungen Trebus, Molkenberg, Neuendorf- Buchholz und Steinhöfel auf den Brückenkopf Fürstenwalde.

Es hielten sich in der Stadt, vornehmlich in den Außenbezirken, nur noch etwa 2000 Menschen auf. Über 26.000 Bürger waren geflohen und kehrten, wenn überhaupt, erst allmählich in den folgenden Wochen und Monaten nach Kriegsende zurück. Es kam zu Straßenkämpfen in der Nacht, über deren Einzelheiten ich natürlich nichts sagen kann, da man nicht auf die Straße ging, sondern versuchte, sich vom Geschehen fernzuhalten Die Kämpfe hatten sich am 22.April dann bis an die Spree hingezogen , die von den sowjetischen Truppen auch am gleichen Tag überwunden wurde. Die Truppen setzten ihren Vormarsch ohne Pause weiter nach Südwesten fort , umgingen aber die deutschen Stellungen in den Rauener- und Dubrowbergen. …

Die ganze Nacht zum 22.4. war der Kampflärm in den Straßen zu hören. Am Morgen des Sonntags, die Truppen waren bereits aus den Gebieten nördlich der Eisenbahn, wo ich wohnte, weg , lagen in den Straßen viele deutsche gefallene Soldaten , vor allem aber viel Volkssturm. Später sah ich in der Stadt ebenfalls sehr viele Gefallene und tote Pferde, Kriegsmaterial usw. Bei diesen Kämpfen entstand auch weiterer Gebäudeschaden. Diesen anzugeben ist m.E. unmöglich, weil Brände und Schäden durch Kämpfe zeitlich zu dicht aufeinander folgten. Bezeichnend ist aber, dass die im Verlauf dieser Kämpfe auf den Bergen bei Palmnicken-Molkenberg in Stellung gegangenen sowjetischen Salvengeschützen(„Stalinorgeln“) nicht die Stadt beschossen, sondern die Stellungen der Faschisten in den Rauener- und Dubrowbergen; auch Ketschendorf selbst wurde nicht beschossen.

Die sowjetischen Gefallenen waren bzw. wurden noch am Morgen des 22.April von sowjetischen Bergungstrupps von der Straße geschafft Die Zahl der bei Fürstenwalde gefallenen sowjetischen Soldaten ist ungefähr an der Zahl der Gräber auf dem Ottomar–Geschke-Platz zu erkennen.

(Die meiste deutsche Artillerie stand übrigens nicht in den Rauener – sondern in den Dubrowbergen, bzw. hinter diesen, als Schutzwall.)

Am 22.5. ,Sonntag , wurde ganz Fürstenwalde –u.m.w. auch Ketschendorf, von sowjetischen Truppen besetzt und blieb es. ( Bezüglich Ketschendorf irrt der Zeitzeuge .d.Verf.)


Irgendwelche neuen Versuche der Faschisten , die Stadt zu erobern, kamen nicht vor. Das zurückkommen der Truppen vor den Straßenkämpfen erkläre ich mir damit, dass auf höheren Befehl ein Brückenkopf am Kanal bzw. der Spree gebildet werden musste , der für die Faschisten die letzte natürliche Verteidigungslinie bildete in Richtung Süden und Südwesten.

Am 22.4.flüchteten auch noch einige Einwohner mit den letzten Truppen über die Spree.

Die Kämpfe an der Spree waren für die Deutschen sehr verlustreich.

Verständlich ist , dass die Rote Armee darauf verzichtete, die militärisch unwichtigen Rauener – und Dubrowberge zu stürmen, als die Front an ihnen vorbeigezogen war. Diese Truppen dort waren nicht so stark, um eine Gefahr zu werden. War es doch vor allem Artillerie usw.

Die Faschisten hielten sich also noch einige Tage  und benutzten dies, um Fürstenwalde zu beschießen. Wenn es auch nur vereinzelte Granaten waren, richteten sie doch Schaden an und beunruhigten die Bevölkerung. So wurden noch etwa am 26. oder 27.4. die damalige große Saalgaststätte „Capitol“ ,Berliner Straße ,getroffen und brannte ab, da zu dieser Zeit einfach nicht die Möglichkeit zum Löschen bestand und ein Löschen auch gefährlich gewesen wäre.

Gegen 15.00 Uhr am 22.4. war die gesamte Stadt bis zur Spree frei. Und ich kam mit sowjetischen Soldaten zum ersten Mal zusammen. Zu irgendwelchen Kontakten kam es aber nicht , ich wollte nur sehen, was von Fürstenwalde übrig geblieben war. Deutsche traf ich nur ganz vereinzelt.

Bericht Paul Schulze

(Paul Schulze, geb.1888 , allgemein „Zickenschulze“ genannt, war in der Weimarer Zeit Stadtverordneter für die KPD, wurde aber 1931 als „Trotzkist“ aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen Bei Befragungen zu dem Zeitraum April 45 in den Jahren 1958 und 1961 durch die Historische Kommission der Kreisleitung der SED wird er als ehem .Genosse bezeichnet. Es wurde wegen dieser Befragung des Ex-Genossen um spezielle Genehmigung bei der Bezirksleitung der SED nachgesucht !)

Fürstenwalde , zumindest die Innenstadt wurde am Sonntag, dem 22.April 1945, durch die sowj.Truppen erobert. Ich wohnte bereits in der Feldstraße 8. Gegen 16.00 Uhr ertönte es in allen Ecken „Hurräh“! Bewaffnete sowjetische Soldaten durchstreiften erstmals die Straßen, suchten nach kaum noch auffindbaren faschistischen Truppen. Von da ab blieb die Stadt in sowjetischen Händen.

Kurz danach klopfte es an das Hoftor zur Straße. Das Tor war verriegelt. Einige sowj. Offiziere traten ein und fragten mich (Gebärden und deutsche Sprachbrocken),warum das Tor nicht offen war. Ich erwiderte, das ich versprengte Waffen-SS hindern wollte, sich u. U., bei mir zu verstecken. Es entspann sich noch ein kurzes und freundschaftliches Gespräch , wobei die Soldaten von mir eine Schachtel aufgesparter Zigaretten dankend in Empfang nahmen. –

So war ich begeistert über die ersten Befreier. Wir trennten uns unter Umarmungen und Freundschaftsbezeugungen, nachdem die Genossen von meiner politischen Vergangenheit einiges erfahren hatten.

Kurz danach (immer noch am 22.4.1945) betrat der zweite Schub Soldaten mein Grundstück, es waren einfache Soldaten und Unteroffizierschargen.

Diese Soldaten, es waren Fronttruppen , noch nicht der berüchtigte Train, zeigten sich gleich von einer etwas anderen Seite:

Es war nötig, dass wir trotz der Ereignisse der damaligen Zeit Wäsche waschen mussten, außerdem, ich will es offen sagen, war ich mir so sicherer, dass meine Wäsche meine Wäsche bleibt. Die Soldaten durchstöberten sofort Grundstück und Haus nach Dingen, die sie als Beute in ihren Besitz bringen wollten. Als sie in die Waschküche kamen und die eingeweichte Wäsche sahen, beschimpfte man mich und meine Familienangehörigen als „Saboteur“, durchstach mit Seitengewehren die nasse Wäsche, um festzustellen, ob auf dem Boden der Wanne etwas verborgen wäre. Als ich ihnen endlich klar machen konnte, dass der durch Einschläge herab gefallene Deckenputz die Wäsche verschmutzt hatte, hörte das Gerede von „Faschist, Bandit, Saboteur und „Bum, Bum !“) endlich auf.

Der Oberste dieser Meute begnügte sich damit, mir die besten, die Sonntagskleidungsstücke, zu stehlen. Ich musste seinen Lakaien spielen und ihm u.a. helfen, folgende Kleidungsstücke zu reichen bzw. anzuziehen: Schuhe, Hut, Strümpfe ,Mantel, Uhr usw. Dann verabschiedeten sich diese Leute auf ihre Art, nachdem sie noch ihre Enttäuschung ausgedrückt hatten, keine Frauen angetroffen zu haben. (Meine Frau Lotte und meine Stieftochter Gerda hatte ich in einem Raum verborgen, der zur Toilette gehörte)

Der dritte Schub am 22.4.1945 bestand aus Soldaten und Offizieren. Mit ihnen fing es zwar etwas laut, aber doch immerhin erträglich an. In der Stube spielte einer der Soldaten Klavier. Einer von den Soldaten sagte unterdessen zu seinen Kumpanen, er wolle meine Ehefrau „sich vornehmen „.und noch vorher, da ich (Paul Schulze) mir das wahrscheinlich nicht gefallen lassen würde, erschießen. –Ich konnte das nicht fassen!

(Hierzu folgendes: „Ostarbeiter“, in diesem Falle Polen, arbeiteten in hiesigen Betrieben, auch in Fleischereien und bei anderen Handwerkern. LEO von Fleischer Natusch in der Grünstraße und DICKER von Fleischer Schulz im ehemaligen Ketschendorf , verkehrten während ihres gesamten Hierseins familiär in meinem Hause, trotz aller nazistischen Anordnungen – wir richteten es so ein. Beide hatten Wohnungsschlüssel und konnten jederzeit in mein Haus, während ich auf meiner Laube in Ahrensdorf weilte. Meine Frau fuhr des öfteren zu den Familien der beiden Polen – bei Posen und bei Mogilno im ehem. “Warthegau“- und hielt so die Verbindung aufrecht Dieser LEO war bei der jetzt geschilderten Szene zugegen, er konnte Russisch verstehen und auch etwas sprechen.)

Die Worte des LEO machten aber auf die sowj. Soldaten nicht den gewünschten Eindruck. So gab LEO meine Stieftochter als seine Braut aus und brachte sie zur Waldstraße, wo sie bei Bekannten verborgen wurde (vergeblich!)

Mich brachten Soldaten mit Gewalt auf die Straße und hielten mich dort fest. Während dessen wurde in der Wohnung meine Frau von sechs verschiedenen Soldaten brutal vergewaltigt. Sie flüchtete daraufhin wieder in den Toilettenkeller, wo ich sie verbarg und mit Betten versah.

In dem ganzen Durcheinander gelang es anschließend noch einem Mongolen meine Frau im Keller aufzuspüren, es war der Siebente, der sie vergewaltigte in den wenigen Stunden. (Meine Frau kann diese Brutalität bis heute nicht vergessen, zumal eine Verwandte, die sich zu mir als ehemaligen Kommunisten und Mitbegründer der hiesigen KPD geflüchtet hatte, um vor Vergewaltigungen sicher zu sein, an diesem Tage ebenfalls in unserem Haus vergewaltigt wurde.

Meine Stieftochter wurde in der Waldstraße übrigens auch mehrere Male durch sowjetische Soldaten vergewaltigt und – venerisch – angesteckt.

(Ich möchte dazu ausdrücklich erklären, dass es sich nicht um Deutsche handelte, die sich sowj. Uniformen angezogen hatten, um solche Taten zu vollbringen)

(Diese Erklärung hielt Paul Schulze für notwendig, weil es seinerzeit (also auch 1965, als er diese Aussagen machte) zum „guten Ton „ der Genossen gehörte , den sowjetischen „Freunden“ auf keinen Fall derartige Verbrechen vorzuwerfen. Es waren dann immer unbekannte deutsche Täter, die sich in sowjetischen Uniformen getarnt hätten d.Verf.)

Der Mongole hatte im Keller abgeschnallt und seine Pistole (Revolver) liegen gelassen. Das versetzte mich nach allem in berechtigte Furcht, erschossen zu werden, einmal wegen Waffenbesitzes, zum anderen als unbequemen Zeugen für das Geschehene. Ich gehe auf die Straße und sehe einen mir bekannten etwa 12-jährigen Jungen. Ich gebe ihm die Pistole, zeige ihm einen entfernt stehenden Posten und bitte, dem Posten die Waffe zu übergeben.(Meine Wohnung verließ ich nicht, um meine Frau nicht allein zu lassen.)

Der Posten nimmt mich sofort zur Kommandantur seines Truppenteils.(Ecke Thälmann Str./ Liebknechtstr.) Ich wurde dort verhört und erzählte von dem Geschehen in meinem Hause und wie ich in den Besitz der Waffe gekommen war. Die Antwort war folgende: Man lachte sich schallend aus, klopfte mir auf die Schulter und sagte u.a. „Gut,Gut, geh nach Hause !“ (auf deutsch).

Chronik der katholischen Kirchengemeinde

Am Sonntag, dem 22.4.45 wurde von 9.00 Uhr ab im Pfarrgarten und an der Kirche gekämpft. Um 5 Uhr nachmittags kamen die ersten Russen in den Keller. Durch deutsche Artillerie wurde der Turm schwer beschädigt; darunter litten sehr die Turmspitze und die Orgel.